Im Zeichen des Mondes

 

Kulturlokal Fürth, 8.7.2023, © Hans-Peter Miksch

 

Die Regionalpartnerschaft der Metropolregion und der benachbarten Landkreise mit der Megacity Shenzhen besteht seit 25 Jahren. Doch der Künstleraustausch im Rahmen dieser Regionalpartnerschaft, den das Amt für Internationale Beziehungen der Stadt Nürnberg auch mit dieser Wanderausstellung feiert, ist etwas jünger. Der deutsch-chinesische Künstleraustausch fand erstmals 2001 statt. Der erste Künstler aus der Metropolregion, der nach China reisen durfte, war der Maler und Zeichner Christoph Haupt, der dieses Mal leider nicht in der Ausstellung ist. Er hat in Nürnberg studiert, sein Atelier ist in Fürth nicht weit von hier („Kulturlokal“) in der Nürnberger Straße. Er soll erwähnt sein, weil er sich sozusagen idealtypisch anregen ließ durch das Stipendium, weil sein Aufenthalt in Shenzhen die Inhalte seiner Bilder wesentlich verändert hat.

 

Bevor ich näher auf Sinn und Zweck eines Künstleraustausches eingehe, ein paar Worte zur Entstehung desselben:

 

Im Jahr 1986 wurde das Schloss Almoshof, das bis dahin 10 Jahre von einem e.V., einer privaten Kulturinitiative, getragen worden war, zu einem Kulturladen in kommunaler Verfassung. Nachdem Nürnberg bis Mitte der 1980er Jahre schon viele Kulturläden einrichtete, diese jedoch ein weitgehend ähnliches Programm hatten, stellte sich die Aufgabe, jedem Kulturladen einen spezifischen Schwerpunkt zuzuweisen. Es war also ein Plan zur Diversifikation. Aus Gründen definierte sich der Kulturladen in Almoshof als ‚Kunst-Kulturladen‘. Doch da dort noch kein Know-how vorhanden war, lud man das Kunsthaus Nürnberg, damals in der Karl-Grillenberger-Straße, verfasst als Zusammenschluss verschiedener Künstlergruppen und -verbände, ein, als externer Dienstleister das Programm zu gestalten. In den folgenden Jahren wurden von dem gemeinnützigen Verein 39 Ausstellungen in den Sommermonaten durchgeführt.

 

Im Laufe der Zeit wollte das damals nicht städtische Kunsthaus Nürnberg die Räumlichkeiten in Almoshof noch intensiver nutzen und verfiel auf die Idee, dem Amt für Internationale Beziehungen einen Künstleraustausch mit Nürnbergs Partnerstädten vorzuschlagen. Der wesentliche Baustein war, neben der Finanzierung durch das Amt, die Tatsache, dass es im ersten Stock des alten Patrizierschlosses eine ungenutzte Zweizimmerwohnung mit Bad gab. Dem Verein schien das die wesentliche Voraussetzung zu sein, einen Gastkünstler einzuladen. Das Kunsthaus Nürnberg verstand sich als Interessenvertretung der Nürnberger Künstler bzw. der Künstler aus der Region. Jede Art von Förderung der Künstlerschaft war Zweck der Arbeit des gemeinnützigen Idealvereins.

 

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre hatte es den ersten Künstleraustausch gegeben, damals mit Krakau. Dann folgten Skopje und Glasgow. Schon 1996 blickte das Kunsthaus mit der Ausstellung „TauschRausch“ (und einem Katalog) auf zehn Jahre Künstleraustausch zurück.

 

Es war selbstverständlich, den internationalen Künstleraustausch mit Partnerstädten auch mit der Verwaltung der Zwölfmillionenstadt Shenzhen zu verabreden. Allerdings hoben die Ambitionen der chinesischen Seite den Künstleraustausch auf ein ganz neues Niveau, eines, das hier vorher völlig unbekannt gewesen war. Dazu nur eine Anmerkung: Am Ende eines jeden Austausches soll in der jeweiligen Stadt eine Ausstellung des Gastkünstlers stattfinden. Dafür standen bis Anfang der Nullerjahre die bescheidenen Räume, nur notdürftig an den öffentlichen Nahverkehr angebunden im schnuckelig-kleinen Patrizierschlösschen zur Verfügung. Der erste chinesische Gastkünstler stellte dort noch aus! Doch die Gäste aus unserer Metropolregion staunten Bauklötze, wenn man ihnen zu Beginn ihres Stipendiums die ebenso museale wie monumentale Ausstellungshalle in Shenzhen zeigte! Vom ersten Tag mussten sie ranklotzen, um einen Ausstellungsraum, wie sie noch keinen vorher bespielen durften, zu füllen.

 

An der Auswahl der jeweiligen Stipendiaten und Stipendiatinnen sieht man auch, dass zwei verschiedene Kulturen aufeinanderstießen: Für uns ging und geht es in erster Linie darum, Künstlern, die nicht die Mittel haben für eine solche Reise, eine Unterstützung zu geben. Für die chinesische Seite ging und geht es mehr um Repräsentation. Die Künstlerinnen und Künstler, die hierherkamen, sind in aller Regel etablierter und wirtschaftlich erfolgreicher als ihre fränkischen Pendants. Das ist und war Teil einer Strategie, die eigene Stärke auch auf kulturellem Gebiet zu zeigen. Und gipfelte im Boom chinesischer Kunst auf den internationalen Kunstmärkten in der zweiten Hälfte der Nullerjahre.

 

Warum und wozu einen Künstleraustausch?

 

Ein internationaler Künstleraustausch ist eine spezielle Form der Künstlerreise.

 

Reisen ist ein elementarer Baustein noch jeder Künstlerbiografie. Auch in Zeiten, in denen der Trend zur Nachahmung, zur Mimesis, massiv zurückgegangen ist. Sogar für Künstler und Künstlerinnen, die abstrakt oder konzeptionell arbeiten, ist überraschenderweise die Bedeutung des Reisens geblieben. Ja, die Kunstszene ist auch eine Jetset-Szene geworden, aber sei`s drum. War die Wanderreise für den zunftgebundenen Künstler im Mittelalter existentiell notwendig, und war die Reise damals sowieso eine Metapher auf das Leben schlechthin, ist sie für die modernen Künstler aus Imagegründen existentiell geblieben. Die Beweglichkeit der Künstlerschaft hat eindeutig zugenommen: Grenzen werden symbolisch, geistig, aber auch in der Realität gerne überschritten. Eine Künstlerin, ein Künstler, die nicht polyglott sind oder wenigstens scheinen – das geht ja gleich gar nicht!

 

Aus der Wanderreise wurde in der Renaissance die Bildungsreise. Für einen Dürer und seine Nachfolger ging es um die Auseinandersetzung mit dem Kanon der abendländischen und der mediterranen Kultur. Man suchte den Wettbewerb. Und nebenbei auch neue Kundschaft.

 

Das änderte sich am Ende des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stand jetzt die Inspiration qua Exotismus, also die Suche nach Bildern von anderen Lebensformen. Daraus bildeten sich auch Inspirationslegenden! Die künstlerische Weiterentwicklung geschah aber erst nach der Reise im Atelier.

 

Was immer bleiben wird ist die Suche nach einer weiteren Inspirationsquelle, die Suche nach dem, was die Künstler zu Hause nicht finden. Dabei bleiben sie nicht bei neuen Motiven stehen. Es geht um einen Kulturtransfer, um die kulturelle Aneignung von Stilmitteln oder Techniken des anderen Kulturkreises. Dass so manche und so mancher vielleicht dabei erst das Eigene entdeckt, ist eine originelle Wendung. Öffentliche Förderung eines Künstleraustausches befördert die Transkulturalität*, die Mischung von Kulturen als dynamische Gebilde, die nicht, wie es das längst gescheiterte Prinzip der Multikulturalität versprach, unvermischt nebeneinander bestehen.

 

Hoffen wir, dass der Austausch bald weitergehen kann, damit wir nächstes Mal wieder (mehr) Originale aus China bewundern können.